600km – 6.000hm
Einen Tag vor einem Weitradlrennen gehst Du um 22:00 schlafen (morgen um diese Zeit bist Du schon 4h unterwegs), stehst am nächsten Tag um 6 auf. Der erste Gedanke…? Morgen um diese Zeit bin ich erst 8h unterwegs, nicht einmal die Hälfte!
Du schaust jede Stunde ins Wetter App, vielleicht wird‘s eh besser. Radfahren wäre super zum Beruhigen, aber das Rad ist schon im Begleitfahrzeug, jetzt gibts nur noch warten, toll, genau mein Ding!
Dann stehst Du auf der Startrampe, es regnet leicht, frisch ist‘s auch (die „Ganslhaut“ siehst sogar durch die Beinlinge). Komisches Gefühl, weil eines ist sicher: locker wird es (wahrscheinlich) nicht. Wer macht eigentlich „Sachen“, die man nicht machen muss, wissend, dass es weh tun, sehr hart,… wird? Freiwillig!?!
Endlich am Rad, los gehts! 600km noch, 6.000hm, aber die sind noch weit weg. In 3h wird es finster und damit noch kälter, geduldig bleiben, egal wie schnell Du fährst, es dauert trotzdem noch echt, echt lange!
Es funktioniert wie im Schotterwerk, alle Teilnehmer mit dem ungefähr gleichen Leistungslevel werden auf ein paar km verteilt quasi „zusammen gerüttelt“. Du siehst permanent die orangen Blinklichter der Begleitfahrzeuge der KonkurrentInnen in der Nacht blinken. Lieb sind die Leut‘ im Weinviertel, immer wieder ein paar Zuseher, die Dich, auch weit nach Mitternacht, vom Straßenrand anfeuern, sehr lässig.
Am Horizont links hinten ein erstes Anzeichen der Morgendämmerung, nur mehr -2°C, aber das Licht wird helfen.
Seit Stunden ist mir schlecht, die Trinknahrung will an die frische Luft, leider von der falschen Seite aus! Die Hauptaufgabe: gegen den Gedanken aufzugeben anzukämpfen, stundenlang, die Beine sind aber gut, die fahren eh! Aber der Kopf! Noch immer 300km! Könnte einfach stehenbleiben, macht überhaupt nichts, das Leben läuft gleich weiter,…`! Ich trete aber weiter, wie hat der Teamchef AD gesagt? „Wennst‘ 301km hast, brauchst nicht mehr umdrehen, das wäre dann ja weiter“! Trotz diverser Schmerzen muss ich lachen… und fahr‘ weiter!
Endlich geht‘s rauf zum Semmering, mir ist nicht mehr so übel, die Beine sind noch immer gut. „Jengs“ (Voigt) würde sagen, „er fährt einfach seinen Stiefel“… Oben auf der Passhöhe gibts einen Kontrollpunkt, Video und Check; weiter geht‘s, die Kalte Kuchl, ein paar Schupfer und der Wastl im Wald warten. Irgendwo dazwischen ein 23% Steigungsschild, eh schon egal! Mir gehts recht gut, mach mir eher Sorgen ums Begleitteam, die haben schon sehr müd ausgesehen.
Auf was es nun ankommt? Bergauf, technisch sauber „rhytmisieren“ rund treten, Frequenz fahren. Bergab konzentrieren! Nach mittlerweile 14h pausenlos am Rad verschätzt man sich bei 70kmh vor einer Kurve nur ungern (sonst aber auch).
Endlich wieder über die Donau, Ybbs (auch AD) ist erreicht, dazu mein Lieblingsstraßenschild: „Radfahren verboten, ausgenommen Rennradfahrer“, lässig!
Ab nach rechts, letzte Etappe wieder rauf ins Waldviertel! Gibt‘s dort überhaupt Fußball oder Tennis? Es geht nur mehr rauf und runter, flach und eben ist’s gefühlt nicht mehr!
Die letzten Stunden sind super, die Einteilung hat gepasst, ich kann sogar 2 Zweierteams überholen. Sie versuchen noch, alle 5 Minuten zu wechseln, aber es geht extrem gut, ich sehe sie erst wieder im Ziel, da bin ich schon umgezogen.
15km noch, oha, der RC Arbö Mödling Obmann himself ist auf einmal da (am Rennrad natürlich) und gibt mir, neben Begleitschutz auch noch die Energie, „all out“ zu fahren, es geht super dahin, ich sehe das Schloß in Weitra auftauchen, es ist sooo lässig.
Ab durchs Ziel, ich würd gerne die Welt und jede(n) umarmen, wobei ich das normalerweise absolut hasse! 22:40 am Rad, 2h Pausen bzw. Stillstand (Ampeln!… 20min musste ich aufs Begleitfahrzeug warten, die brauchten eine Rast um Nudelsalat zu essen und die Sonne zu genießen, gut so).
Was bleibt? Ich weiß noch immer nicht, warum man so etwas macht, aber: ich glaube echt, dass ich ein besserer Radfahrer geworden bin, in nur 24h! Und ein besserer Mensch vielleicht auch! Kann‘s nicht erklären, fühlt sich aber so an!
Und sonst noch? Die Begleitfahrzeugjungs (Martin, Wolfgang, Reiner, Marco) waren immer da, Barbara, Tatjana, Matthew und Leyna und viele Freund*innen und Kolleg*innen super dabei, danke euch allen! Weitradlfoahrn hat etwas, man kann es nur erleben, nicht erklären. Einfach mal selbst ausprobieren, keine Angst. Wenn 20km weit sind, dann eben nur diese 20km, oder eben 100 oder 200… Einfach einmal eine Grenze austesten! Und wenn es zu viel ist, auch kein Problem, es passiert nichts, es ist nicht wichtig! Oder doch?