Salzkammergut-Trophy 2021

Nach langer Zeit wieder mal ein MTB Rennen. Am Samstag bin ich vom Regen in die Therme gekommen…. aber immer der Reihe nach.

Vor dem Rennen:
Der Familienurlaub am Attersee wurde erfolgreich so geplant, dass für mich ein Start bei der Salzkammergut-Trophy möglich war. Nach langem hin und her melde ich mich für die D-Strecke an, weil i) die Startzeit mit 13:00 Uhr für mich sympthatisch ist und ii) die fahrtechnisch anspruchsvollere Strecke mich reizt. Der Nachteil ist, es quälen mich die Zweifel, ob das so eine gute Idee ist, mit meinem Carbon Hardtail eine Strecke anzugehen, die als All-Mountain-Strecke ausgeschrieben ist.

Dass mein MTB mir auch noch meine Wintereskapaden mit lautem Knarzen übelnimmt, das macht die Sache auch nicht besser. Während des Familienurlaubs am Attersee starte ich noch einen verzweifelten Versuch beim lokalen Fahrradgeschäft, ob das Knarzen nicht doch abgestellt werden kann. Doch der nette Herr im Radgeschäft kann mir nur sagen, dass es mit ziemlicher Sicherheit vom Lenkkopflager kommt und nicht so leicht zu beheben ist. Unser Obmann Walter beruhigt mich, und kündigt mir gleich an, dass es beim Rennen hinreichend regnen wird, dass sämtliche Geräusche weggespült werden.

Womit wir beim tagtäglichen Beobachten der Wettervorhersage sind. Einige Tage vor dem Rennen, lautet die Vorhersage bereits ziemlich eindeutig: Regen. Nur, die Vorhersage sagt auch für den Großteil der Woche vor dem Rennen bereits Regen an, und der fällt eigentlich gar nicht so arg aus, und die Vorhersage wird jeden Tag nachträglich zum besseren revidiert. So lebt die Hoffnung auf ein akzeptables Wetter für den Renntag weiter…. bis zum Abend vor dem Rennen. Mit nur noch ein paar Stunden zeichnet sich irgendwie ab, dass dieser ganze Regen, der die ganze Woche zu übertrieben angekündet worden war, scheinbar vor hat am Renntag zu kommen. Freitag abend ist die Vorhersage schon bei 25 Liter Regen, als ich am Freitag ins Bett gehe, bereits bei 59 Liter Regen und am Samstag morgen beschließe ich bei einer Vorhersage von 90 Liter Regen nicht länger den Wetterbericht anzuschauen. Dazwischen versucht mir meine Frau noch den Rennstart auszureden, da sie nicht will, dass ich bei einem Regenrennen stürze und mich verletze. Ich beruhige sie mit dem Argument, dass richtig heftiger Regen weniger gefährlich ist, da der Schlamm gleich wieder weggespült wird… Rennvorbereitung einmal anders.

Vor dem Start:
Am Renntag wache ich mit massivem Kopfweh auf. Koffein-Entzug. Vor lauter Familienurlaub und Quality Time mit der süßesten Tochter der Welt, habe ich nicht meine tägliche Ration Kaffee bekommen… Gottseidank, wirkt die dreifache Espresso-Dosis beim Frühstück und ich komme langsam doch in Schwung.

Zum Glück bringt mich meine Frau mit dem Auto zum Start nach Bad Ischl. Und ich bin schon mal sehr dankbar, dass ich nicht im Regen zum Start radeln muss. Nach dem ich die Startnummer abgeholt habe, verabschieden sich meine Frau und meine Tochter und es ist ausgemacht, dass sie bei dem Regenwetter den Großteil des Tages in der Therme verbringen werden, wo ich sie nach dem Rennen wieder treffen soll.


Ca. 30 Min. vor dem Start setzt schon wieder kräftiger Regen ein, und die Idee mich bei dem Regen warmzufahren, die verwerfe ich gleich wieder. Ich stelle mich mit einigen anderen Startern unter und warte auf den Start. Dabei erfahre ich so ungefähr, dass die Strecke irgendwie geändert wurde, aber eh alles ungefähr gleich bleiben soll… D.h. nicht ganz 60 km und ca. 2000 Höhenmeter. Ich kümmere mich nicht wahnsinnig darum, da ich davon ausgehe, dass ich eh irgendwo im Feld mitfahre und die Strecke schon finden werde.

Knapp vor dem Start stelle ich mich ziemlich weit hinten im Starterfeld auf und denke mir nix dabei. Ich mache mir keine Illusionen über einen Spitzenplatz und ganz überhaupt wird das Rennen eh neutralisiert gestartet.

Der Start:
Pünktlich um 13:00 Uhr erfolgt der Start. Ich rolle mit den langsameren Startern hinten los und merke gleich einmal, dass hier noch kein richtiger Schwung drinnen ist. Also überhole ich auf den ersten paar hundert Metern aus Bad Ischl raus gleich einmal 20 – 30 andere Starter. Dann der erste kurze Anstieg, ich überhole noch ein paar langsamere Teilnehmer und bin plötzlich ziemlich alleine…! Mit Entsetzen stelle ich fest, dass der hintere Teil des Starterfeldes bereits im neutralisierten Teil den Anschluss an das größere Feld verpasst hat. Ich versuche noch die Lücke zuzufahren, sehe aber nur noch die größere Gruppe vor mir – nach der Neutralisation – wegbeschleunigen. Macht nichts, denke ich mir, da werde ich schon noch ein paar von denen wiedersehen.

Das restliche Rennen:
Nach dem komplett verpennten Start versuche ich einen moderaten Rhythmus in den ersten längeren Anstieg zu fahren. Ich hole tatsächlich noch ein oder zwei Fully-Fahrer ein und biege trotz strömenden Regen ganz gut gelaunt in den ersten Trail ein. Doch dann ist meine Laune, genauso wie meine Sicht etwas getrübt. Die Brille ist komplett beschlagen, und ich seh genau gar nichts auf dem matschigen und rutschigen Trail. Damit bleibe ich gleich ein- zweimal hängen und komme nicht wirklich gut voran. Aber, ich bleibe, wie meiner Frau versprochen, sehr vorsichtig und komme sturzfrei durch. Mit etwas Geduld und herumspielerei kriege ich nach ein paar Minuten Blindflug sogar meine Brille frei und komme so etwas besser zurecht.

Nach der vorsichtigen ersten Trailabfahrt geht es in den zweiten längeren Anstieg. Ich bin irgendwie schon ziemlich alleine unterwegs, sehe nur noch drei Fahrer vor mir, und hinter mir meilenweise niemanden. Das bleibt den ganzen Anstieg so, und in der nächsten längeren technischen Abfahrt führt meine – familiär versprochene – Vorsicht dazu, dass von den drei vor mir fahrenden Radfahrern niemand mehr wirklich in Sichtweite ist. Ich möchte mal auf meinem Garmin schauen, wie viele Höhenmeter ich denn schon geschafft habe… doch die Höhenmeterangabe hat schon vor dem Regenwetter kapituliert. Ich habe also zunächst mal keine Ahnung wieviel von den ca. 2.000 Höhenmeter ich schon geschafft habe.

Im nächsten längeren Anstieg, es hat endlich mal aufgehört zu regen, sehe ich nach einer Weile wieder einen Radfahrer vor mir. Mit dieser Karotte vor der Nase kämpfe ich mich Meter um Meter an den anderen Radfaherer heran und hole ihn am Ende des Anstieges ein. Gemeinsam mit dem eingeholten Fullyfahrer machen wir auf einem flacheren Stück endlich ein paar Kilometer, bevor ich ihm die Vorfahrt für den technischen Downhill lasse. Ich holpere zunächst einen verschlammten Wurzeltrail runter und fahre dann mit einem gewissen Sicherheitspuffer aber doch zügig eine lange Abfahrt durch einen Bach (vormals Trail). Die Linienwahl ist in diesem Fall eher einfach: Immer der Strömung nach.

Der Fully-Fahrer ist natürlich lange ausser Sicht als ich unten ankomme. Es geht wieder in den Anstieg und nun bin ich gänzlich alleine. Es gibt aufgrund des Regens kaum Zuschauer an der Strecke, und die Beschilderung ist etwas verwirrend. Es gibt zwar bei jeder Abzweigung ein Schild welches mir die Richtung weist, aber gleichzeitig gibt es auch viele Schilder welche in meine Richtung zeigen. Und ich bin diesen Anstieg doch schon einmal gefahren… Ich erinnere mich an die Ankündigung der Streckenänderung vor dem Start, welche doch beinhaltet hatte, dass wir ein Stück zweimal fahres müssen. Soweit, also gut…. Aber, halt: Was wenn ich jetzt hier auf eine Möbius-Schleife geschickt werde?

Zum Glück hole ich den Fully-Fahrer von vorher wieder langsam ein, und es finden sich wieder vereinzelt ein paar Zuschauer am Streckenrand. Ich bin also noch auf der richtigen Strecke. Motiviert von dem einen gewonnenen Platz kämpfe ich mich den Anstieg bis nach oben und komme den nachfolgenden Trail auch ganz gut runter. Ich bin extra-vorsichtig und steige freiwillig ein oder zweimal ab, immerhin habe ich meiner Familie eine sturzfreie Fahrt versprochen. So weit alles gut, nur wo auf der Strecke ich mich befinde, das ist mir gänzlich unklar. Mittlerweile bin ich schon mehr als 3 Stunden unterwegs und mein Garmin versucht mir immer noch zu erklären, dass ich erst ein paar hundert Höhenmeter geschafft habe…. Ich beginne ernsthaft daran zu zweiflen, dass ich meine angepeilten 4 Stunden schaffen kann. Doch dann plötzlich: Die Ewige Wand. Der einzige Streckenpunkt mit Wiedererkennungswert für mich. Ich bin ja doch schon sehr weit gekommen auf der Strecke. Kurz darauf bin ich auch schon unten im Tal und hinter mir taucht auch wieder der Fully-Fahrer auf. Gemeinsam kommen wir an die letzte Verpflegungsstation, die ich auslasse, während er noch kurz stehen bleibt. Kurz darauf holt er mich wieder ein, und wir beschließen uns in der Führungsarbeit abzuwechseln. Endlich geht auch kilometermässig was vorwärts und wir holen ein paar andere TeilnehmerInnen ein. Die sind jedoch alle nicht auf unserer Distanz…. Beim Zieleinlauf habe ich keine wirkliche Motivation oder Energie mehr um gehen meinen einzigen Weggefährten zu sprinten und rolle einfach nur hinter ihm ins Ziel. Während er den 2. Platz in der AK 60 erreicht hat, komme ich mit 3:50 h auf den 12 Platz in der AK 40.

Nach dem Rennen:
Ich bin zunächst froh im Ziel zu sein. Ich bin wie versprochen sturzfrei durchgekommen, und mein Ziel unter 4 Stunden zu bleiben, habe ich auch geschafft. So richtige Euphorie kommt jedoch noch nicht wirklich auf. Es schüttet wieder wie aus Kübeln und ich mache mich irgendwie planlos zunächst daran mein Rad zu waschen. Dann such ich meinen Rucksack, um zumindest eine trockene Regenjacke anzuziehen. Kurz versuche ich ob ich sonst jemand vom RC Mödling sehe, aber diese Hoffnung verwerfe ich gleich wieder, dafür ist selbst die abgespeckte Covid-19-Regenversion von der Salzkammergut-Trophy zu groß.

Ich melde mich also wie versprochen gleich bei meiner Frau und erfahre so gleich, dass die süßeste Tochter der Welt in Bad Ischl in der Therme auf mich wartet. Also radle ich noch 10 Kilometer durch den strömenden Regen zurück nach Bad Ischl. Meine genial gut oraganiserte Frau hat es geschafft, den Autoschlüssel bei der Kasse der Therme für mich zu hinterlegen und ich kann meine trockenen Sachen aus dem Auto in der Tiefgarage holen. Dabei schaffe ich es noch beim aus dem Aufzug aussteigen zu stürzen, … aber das zählt ja nicht mehr zur Salzkammergut-Trophy. Die habe ich wie versprochen sturzfrei bewältigt.

In der Therme finde ich gleich meine zwei Herzdamen, und das Strahlen meiner Tochter unterbricht die mentale und körperliche Verarbeitung der eben bewältigten Salzkammergut-Trophy sofort.

Epilog:
Erstens: Es muss noch gesagt werden, dass meine Frau mit der Empfehlung von Merino-Unterleiberl absolut recht hat.
Zweitens: Auch unser Obmann Walter hat Recht behalten mit der Vorhersage, dass der Bad Ischler Regen meinen Lenkkopf zum Schweigen gebracht hat.
Drittens: Durch diese ganze Regenpartie ist sich kein After-Race-Bier mit Walter oder Christian ausgegangen. Dies ist ein Formalfehler, der nur durch eine erneute Rennteilnahme korrigiert werden kann.